Das Leben von Erika Milée, geb. am 24. Dezember 1907, hat zwei feste Größen: die Heimatstadt Hamburg und den Tanz. Ihre Ausbildung erhält sie bei Rudolf von Laban und Albrecht Knust und tanzt anschließend in deren Inszenierung „Don Juan“ im Hamburger Schauspielhaus sowie im „Ritterballett“ in der Hamburger Volksoper. 1928 eröffnet sie ihr eigenes Tanzstudio in der Rothenbaumchaussee. Ab 1930 tanzt sie am Essener Opernhaus bei Kurt Jooss und erlebt die Entstehung und erste Aufführung des Antikriegsballetts „Der grüne Tisch“ mit. Laban charakterisierte sie als eine der Wenigen, die ganz in seinem Sinne arbeiten, und er prophezeite ihr, dass ihre Zeit kommen wird. Doch es kommen Nationalsozialismus und Krieg. In den Jahren 1937 und 1938 kann sie noch für den jüdischen Kulturbund in Hamburg und Berlin choreografieren, doch 1939 flieht sie über Italien, Portugal und Argentinien nach Paraguay. In Asunción wird sie Direktorin der neugegründeten Tanz-Abteilung an der dortigen Hochschule. Sie gilt als Pionierin bei der Verbreitung des europäischen modernen Tanzes in Südamerika und tourt mit ihrer eigenen Tanzgruppe durch Brasilien, Argentinien und Uruguay. Auch in Panama unterrichtet sie als Ballett-Professorin. Obwohl ihre Mutter und ihre Schwestern im Nationalsozialismus ermordet wurden, kehrt sie 1959 nach Hamburg zurück und beginnt sofort wieder mit dem Unterrichten. Für sie ist es eine besondere Freude, als sie 1981 von John Neumeier eingeladen wird, mit den „Etüden im Stil Mary Wigmans“ an der Werkstadt „Zurück in die Zukunft“ teilzunehmen. Sie ist Mitbegründerin und Namensgeberin des „Kreises Hamburger Ballettfreunde“ und bleibt dessen Ehrenvorsitzende bis zu ihrem Tod am 30. Juni 1996.
Ralf Stabel