In einem Beitrag über den Maler, Illustrator und Karikaturisten Otto Marcus heißt es über seine Tochter Ruth:
Am 19. Februar 1909 schenkte Elisabeth ihrem Mann eine Tochter namens Ruth. Im Archiv des Staatlichen Museums Schwerin befindet sich das Werk „Menuett", das 1920 entstand, auf der Kunstausstellung Berlin im Sommer gezeigt und ein Jahr später für die damals hohe Summe von 6000 Mark vom Museum erworben wurde. Es zeigt die tanzende elfjährige Ruth Marcus. Später wurde auf der Inventarkarteikarte das Wort „Jude" ergänzt.
Der Berliner Bildhauer Arthur Lewin-Funcke fertigte von Ruth 1923 eine Skulptur mit dem Titel „Tänzerin Ruth Marcus, 1923" an, welche vom Architekturfotografen Franz Linkhorst abgelichtet wurde. Bis heute gilt dieses Werk Lewin-Funckes als verschollen. Arthur Lewin-Funcke (*1866 in Niedersedlitz bei Dresden; †1937 in Berlin) war ein Freund von Otto Marcus, der 1901 die Studienateliers für Malerei und Plastik in Berlin gründete, dessen Lehrer und Leiter er bis in die 1920er Jahre war.
1925 malte Otto Marcus ein Bild der Freundin Ruths, der Schauspielerin Ery Bos (*1910 in Berlin; †2005 in Chappaqua/USA) In den 20er Jahren begann ihre Laufbahn als Tänzerin in Berlin. Ery Bos war mit 17 Jahren schon Solotänzerin und bald auch Ballettmeisterin. In den 30er Jahren spielte sie in Filmen an der Seite von Hans Söhnker, Asta Nielsen und Martha Eggerth. Während der nationalsozialistischen Herrschaft emigrierte Ery Bos in die USA. Ihrem Vater stand Ruth oft Modell. So auch für das Bild „Pirott", welches 1927 in einem Mecklenburgischen Monatsheft abgebildet war. Später sagte sie über dieses Bild: ... es war mir das liebste der vielen Bilder, für die ich meinem Vater Modell stand."
Ruth erlernte das Tanzen und war 1928 an der Berliner Volksbühne engagiert. Sie stand zusammen mit Rosalia Chladek (*1905-†1995) und Lisa Ney auf der Bühne. Zeitzeugen berichten, dass Ruth als Erste Solotänzerin an der Staatsoper Berlin arbeitete. Um 1933 war sie in Hannover Mitglied der Tanzgruppe um Yvonne Georgi (*1903-†1975). Ungefähr zur selben Zeit erschien ein Zigarettenbilderalbum der Firma Eckstein mit Fotos von Ruth Marcus und vieler ihrer Kolleginnen und Kollegen. Die berühmte Fotografin Lotte Jacobi (*1896-†1990) fertigte die Aufnahmen an. Lotte Jacobi fotografierte unter anderem Marc Chagall, Albert Einstein, Egon Erwin Kisch, Käthe Kollwitz, Thomas Mann, Max Planck, Paul Robeson, Eleanor Roosevelt, Kurt Weill und Chaim Weizmann.
Jahrzehnte später sagte Ruth Marcus: „Den Namen änderte ich 1933, als ich ein Engagement nach Basel bekam und die Leute dort dachten, dass es besser für sie wäre, wenn ich einen arischen Namen hätte!" Fortan hieß sie Ruth Sendler. Von Juli 1934 bis zum Januar 1935 war sie in London gemeldet und tanzte im königlichen Ballett. In der Tschechoslowakei suchte Ruth Sendler Zuflucht und war in der Saison 1935/36 am Neuen Deutschen Theater in Brünn/Brno und in der Saison 1937/38 als Tanzmeisterin in Reichenberg/Liberec angestellt. 1938 emigrierte sie nach London und war als Tänzerin und Choreografin erfolgreich.
Ruth Sendler spielte in zwei Filmen mit. 1948 im Ballettfilm „The Red Shoes" als Tänzerin und ein Jahr später im Streifen „I Was A Male War Bride" eine kleine Rolle an der Seite von Cary Grant (*1904-†1986). Sie war verheiratet, aber die Ehe scheiterte. Die letzten Jahre wohnte sie in der Merton Avenue. Ruth Sendler starb kinderlos am 21. Februar 1990 in London im Alter von 81 Jahren.
Quelle: Torsten Gertz, Otto Marcus, Maler, Illustrator und Karikaturisten, in:
http://www.blankgenealogy.com/histories/Biographies/Jaffe/Otto%20Marcus.pdf