Fred Berk (1911-1980) geboren als Fritz Berger. Ein bisher wenig bekannter Tatbestand der kubanischen Geschichte ist die Aufnahme von Emigranten zur Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Europa. Nach Angaben des deutschen Exilarchivs der Deutschen Nationalbibliothek nahm Kuba bis zum Kriegseintritt 1942 etwa 6.000 bis 8.000 meist jüdische Flüchtlinge auf.
Darunter auch Tänzerinnen und Tänzer. Claudia Wall und Trudy Goth kommen 1938 nach Havanna. Fritz Berger kommt im Juni 1939 aus Liverpool mit der RMS „Orbita“ dazu. Sie fliehen aus Österreich wegen des „Anschlusses“ ihrer Heimat an Nazi-Deutschland. Claudia Wall und Fritz Berger trainieren und tanzen damals im Pro-Arte Musical Teatro, auch Teatro Auditorio genannt, dem heutigen Teatro Amadeo Roldán. Hier trainiert in den 1930er Jahren die junge Ballett-Studentin Alicia – mit vollständigem Namen Alicia Ernestina de la Caridad del Cobre Martínez del Hoyo. Später nur noch: Alicia Alonso.
Claudia Wall und Fritz Berger sind während ihrer Jahre in Havanna ganz selbstverständlich in die Künstlerszene integriert. Später werden sie sich erinnern: "It was a wonderful time. We weren't like the other refugees, who were only dreaming of life in America.“ In Deutsch: „Es war eine wunderbare Zeit. Wir waren nicht wie die anderen Flüchtlinge, die nur an ein Leben in den USA dachten.“
Doch auch Fritz Berger erhält das beantragte US-Visum. Aber seltsamerweise verweigert ihm sein Körper umgehend die Gefolgschaft. Er kann sich nicht mehr bewegen. Ans Tanzen ist schon gar nicht zu denken. Er muss ins Krankenhaus. Die Gültigkeit des Visums läuft ab und seine Genesung setzt ein.
Doch sein Entschluss, in die USA zu gehen, steht fest. Um seine Chancen auf ein erneutes US-Visum zu erhöhen, ändert er seinen deutsch klingenden Namen Fritz Berger in Fred Berk. Zwei Jahren nach seiner Ankunft verlässt er 1941 Havanna in Richtung New York.
Ralf Stabel
Fritz Berger/Fred Berk (1911 in Wien geboren; nach einer Goldschmiedelehre Tanzstudium bei Gertrud Kraus und Auftritte mit ihrer Gruppe; 1934-38 Leiter einer eigenen Tanzschule, arbeitet gelegentlich für das Kabarett „Der liebe Augustin" als Choreograph; Auftritte als Solist; 1938 wird sein Tanzstudio geschlossen; flieht in die Schweiz, wo er in Kabaretts auftritt; 1939 Emigration über Großbritannien nach Kuba; dort Auftritte, Lehrtätigkeit; 1941 geht er in die USA, beschäftigt sich mit israelischem Volkstanz; gründet gemeinsam mit Katya Delakova die Jewish Dance Guild; nach dem Zweiten Weltkrieg Reisen nach Israel; 1950-53 Organisation von Modern-Dance-Produktionen am Brooklyn Museum in New York; Gründung und Leitung von Tanzgruppen; 1952-78 Leiter des jährlichen Israel Folk Dance Festival in New York; versucht in seinen Choreographien Elemente des Volkstanzes und des Modern Dance zu verbinden; publiziert zahlreiche Schriften über den jüdischen Tanz. siehe in: Judith Brin Ingber: Victory Dances. The Story of Fred Berk, Tel Aviv 1985; Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus, Katalog, Wien 1985
Quellen: Ralf Stabel „Und gehe ich verloren, so sucht mich in Kuba“, Dance for you 103, und tanzdrama 42